Prof. Dr. Karl Hengst 

Februar 2002
(von Jürgen Vössing)
Prof. Dr. Karl Hengst

Am 5. Januar ist Prof. Dr. Karl Hengst 63 Jahre alt geworden. Wirft man einen Blick in seine Biographie, fragt man sich schon nach dem ersten Überfliegen der schier endlosen Aktivitäten, wie man eine derartige Fülle von beruflichen Stationen und persönlichen Engagements auch nur halbwegs in einem Leben unterbringen kann. 

1939 in Bühne als sechstes von acht Kindern der Familie Hengst geboren, besuchte Karl Hengst zunächst die Volksschule in Bühne, dann die Realschule in Borgentreich. Schon im Alter von 12 Jahren verließ er seinen Heimatort, um am Humanistischen Gymnasium Theodorianum in Paderborn sein Abitur zu machen und das Knabenseminar im Erzbischöflichen Collegium Liborianum zu besuchen. Damit war der erste Schritt zu einer beeindruckenden Karriere im Dienste der Katholischen Kirche gemacht. Nach seiner Reifeprüfung 1959 folgte das Studium der Katholischen Theologie an der Philosophisch-Theologischen Akademie in Paderborn und 1963 die Theologische Abschlussprüfung. Der katholischen Kirche verbunden, führte ihn der nächste Schritt noch im selben Jahr in das Priesterseminar und schon im Dezember 1964 wurde er durch Erzbischof Lorenz Kardinal Jäger zum Prieser geweiht.

Nach der großen Jubiläumsmesse der 1100-Jahr-Feier in Bühne: Prof. Dr. Karl Hengst mit Pastor Dr. Konrad Freier, dem Paderborner Erzbischof Dr. Johannes Joachim Degenhardt und Messdienern.

Nicht so glatt schien zunächst sein Einstieg in das Berufsleben als Pfarrer zu verlaufen, denn der Pfarrer in Dortmund-Lütgendortmund, bei dem er als Vikar seine erste Stelle antreten sollte, erklärte ihm kurz und knapp, für Anfänger keine Verwendung zu haben. Erst der Zuspruch übergeordneter Instanzen bewog ihn, den jungen Vikar an seine Seite zu nehmen. Insgesamt 9 Jahre war Karl Hengst dann als Jungendseelsorger, Religionslehrer und Kolpingpräses in Dortmund und anschließend an St. Peter und Paul in Bad Driburg tätig. Mit nachhaltigem Erfolg - noch heute besuchen ihn Mitglieder dieser Gemeinden in Paderborn. Als Seelsorger schätzten ihn auch die St. Mariengemeinde und Karmel in Witten und die Pfarreien St. Heinrich und St. Stephanus in Paderborn. Neben seelsorgerischer Arbeit, Messfeier, Predigt und Beichtstuhl galt seine Begeisterung der Erforschung der Kirchengeschichte und so widmete er sich in seiner Freizeit dem Quellenstudium an der Philosophisch-Theologischen Akademie Paderborn. 1973 promovierte er schließlich mit einer Arbeit zum Thema "Kirchliche Reformen im Fürstbistum Paderborn unter Dietrich von Fürstenberg 1585-1618". Diesem Engagement und dem Ehrgeiz am wissenschaftlichen Fortkommen zollte damals sogar Kardinal Lorenz Jaeger Respekt: "Die einen schickt man jahrelang an die Universität, es tröpfelt und tröpfelt, der Eimer bleibt leer, als hätte er Löcher - der andere setzt sich hin, dreht auf, und der Eimer ist voll", so die Aufzeichnungen seines Kommentars zum Umstand, dass Vikar Hengst ohne Freistellung vom Dienst seine Doktorarbeit geschrieben hatte und als erster Doktor der Theologie im Fach Kirchengeschichte seit 150 Jahren von der Theologischen Fakultät promoviert worden war. Eine Erklärung für diese Schaffenskraft gab sein Studienkollege und guter Freund Prof. Dr. Hans Jürgen Brandt, vom Institut für Theologie und Gesellschaft der Universität der Brundeswehr München in einer Gratulationschrift zu seinem 60. Geburtstag, in der er ihm ein "waches Sozialemfpinden, ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, Disziplin und Sinn fürs Praktische", und dies "gepaart mit Organsisations- und Führungstalent", attestierte.

Karl Hengst mit seinen Geschwistern (1981)

1973 wechselte Karl Hengst schließlich von der Kanzel in den Hörsaal. Als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum setzte er seine wissenschaftlichen Arbeiten fort und nutzte die Chance, die ihm die Fächervielfalt der Universität bot, um Einblicke in andere Bereiche der Wissenschaft zu gewinnen. Drei Monate im Jahr verbrachte er in dieser Zeit in Rom, um im Vatikanischen Geheimarchiv historische Unterlagen zu studieren und auszuwerten. Nach nur sechs Jahren reichte er seine Habilitationsschrift ein und ebnete damit den Weg zur Professur. Erzbischof Dr. Johannes Joachim Degenhardt, so ist ebenfalls in der Festgabe zu lesen, habe es sich seinerzeit nicht nehmen lassen, persönlich an der Habilitationsvorlesung teilzunehmen. Aber es verging noch ein ganzes Jahr - Karl Hengst lehrte in dieser Zeit an der Universität-Gesamthochschule Wuppertal - bis Erzbischof Degenhardt ihn 1980 auf die neu eingerichtete Professur für Kirchengeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Bistumsgeschichte an die Theologische Fakultät Paderborn berief. Als Professor kehrte er an die Pader zurück und widmet sich seither im Schwerpunkt der Auffindung und Auswertung von Quellen zur Geschichte einzelner Institute und Institutionen in Westfalen. Er lehrt, forscht, begleitet Forschungsvorhaben und animiert Fachleute zu gemeinsamen Publikationen, um das Gesamtbild der historischen Zusammenhänge Stück für Stück weiter zu vervollständigen.

Der jährliche Familienausflug hat einen sicheren Platz im Jahres-Terminkalender von Karl Hengst

Seit 1984 ist Karl Hengst gleichzeitig Leitender Direktor der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek Paderborn (eab). Die Bibliothek ist eine wissenschaftliche Einrichtung der Theologischen Fakultät Paderborn und beherbergt 260000 Bücher-Bände. Außerdem befinden sich dort 810 Inkunabeln (Frühdrucke), 1110 Handschriften und 3300 Originalurkunden des 12. bis 18. Jahrhunderts. Hauptbereiche der Bibliothek sind die Katholische Theologie, die Diözesangeschichte, Westfalen und die Hagiographie (Erforschung von Heiligenleben). Ihr wichtigster Altbestand an theologischer Literatur ist die Bibliothek der ehemaligen Paderborner Jesuitenuniversität, die so genannte Theodoriana. Auch in seiner Funktion als Chef dieser Bibliothek hat der gebürtige Bühner Maßstäbe gesetzt. Auf seine Initiative hin wurde ein Förderverein gegründet durch dessen Unterstützung der gefährdete Buchbestand der ältesten westfälischen Universitätsbibliothek auf Jahre gesichert wurde.
Neben seinem Engagement an der Theologischen Fakultät Paderborn und in der eab ist Karl Hengst noch in zahlreichen Ausschüssen und Gremien aktiv. Er ist berufenes ordentliches Mitglied der deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts, der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum im Rahmen der reformationsgeschichtlichen Studien der Görresgesellschaft, des Vorstands der Historischen Kommission für Westfalen und Vorsitzender der kirchenhistorischen Abteilung der Kommission. Ruhrbischof Kardinal Franz Hengsbach berief ihn in den historischen Beirat des Bistums Essen, Erzbischof Dr. Johannes Dyba, Fulda, als Militärbischof in den Beirat zur Erforschung der Geschichte der Militärseelsorge. Als wissenschaftliches Standbein hat der Kaplan der römischen Anima und Priester am Campo seit seiner Assistenzzeit das Vatikanische Archiv in Rom gepflegt. Durch seine regelmäßigen Studienaufenthalte in Rom hat er sich zum gefragten Kenner der päpstlichen Register des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit profiliert. In Fachkreisen sagt man ihm auch hier ein gediegenes Fachwissen, ein breite Übersicht und eine wendige Kombinationsfähigkeit nach. Hinsichtlich der kollegialen und interdisziplinären Zusammenarbeit stehe sein Name als Gütesiegel. 

Mal sind es mehr, mal sind es weniger Teilnehmer: 1998 war der Familienausflug jedenfalls gut besetzt

Neben all diesen Aktivitäten hat Karl Hengst in den vergangenen 25 Jahren in zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen seine Kenntnisse der Kirchenhistorie für die Öffentlichkeit aufbereitet und damit auch künftigen Generationen zugänglich gemacht. Als Meisterwerk gilt unter Fachleuten das maßgeblich von ihm konzipierte mehrbändige Westfälische Klosterbuch. 
Zwischen den ungezählten Terminen, die mit den vielfältigen Aktivitäten einhergehen, der Lehre, der Forschung und dem Verfassen von wissenschaftlichen Abhandlungen findet Karl Hengst aber immer mal wieder Zeit, seine Geschwister und Freunde in Bühne zu besuchen. Umringt von Nichten und Neffen ist Professor Dr. Karl Hengst dann einfach "Scheipers Karl".

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